Der CO2-Rechner 

Das bringen Heizungstausch, Flugverbot und Tempolimit

Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Viele Maßnahmen, wie das zu schaffen ist, sind umstritten: Sei es der Austausch von Heizungen, Elektroautos statt Verbrenner und Solarenergie statt Kohle. Welche Maßnahmen bringen aber wirklich große Einsparungen? Welche würden Sie zuerst umsetzen?
Reden wir über das Klima, reden wir meist auch über Treibhausgase, zum Beispiel Methan, Lachgas und allem voran Kohlenstoffdioxid. Will man ihre klimaschädigende Wirkung in einer Zahl ausdrücken, rechnet man sie um in CO2-Mengen. Auch wir machen das hier und sprechen deshalb von CO2, meinen aber CO2-Äquivalente, also die wichtigsten Treibhausgase zusammen. CO2 ist der Auslöser der globalen Erwärmung. Es entsteht eigentlich ständig und überall, vor allem dort, wo Menschen leben, arbeiten, produzieren.

Dieser eine Punkt entspricht einer Million Tonnen CO2.

  • Würde man mit dem Auto von München nach Lissabon fahren, entsteht eine Tonne CO2. Ein Punkt entspricht also einer Million solcher Fahrten.
  • Ein Wald von einer Million Buchen müsste rund 80 Jahre wachsen, um diese Menge CO2 – einen Punkt – aufzunehmen.
  • Fast zwei solcher Punkte, 1,7 Millionen Tonnen CO2 werden ausgestoßen, um eine Million Tonnen neuen Stahl herzustellen.
1990 wurden in Deutschland 1287 solcher Punkte an CO2 in die Atmosphäre geblasen.
1990 fielen die meisten Emissionen im Energiesektor an, gefolgt von Industrieproduktion und Gebäuden . Auch Verkehr, Abfallwirtschaft und Landwirtschaft sorgten für einen großen Ausstoß. Der Wert von 1287 Millionen Tonnen CO2 oder 1287 Punkten, ist die Messlatte für die Klimaziele, um die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. In den folgenden Jahren verabschiedeten die Bundesregierungen Klimaschutzpläne und 2019 erstmals ein Gesetz zur CO2-Reduktion. Das Ergebnis: Seit 1990 sinken die Emissionen.
Im Jahr 2022 sind von den 1287 Punkten noch rund 743 übrig. Also 743 Millionen Tonnen CO2, die in einem Jahr ausgestoßen werden. In der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts sollen sie alle verschwunden sein. Dazu hat sich Deutschland, zusammen mit den meisten anderen Industriestaaten, mit dem Klimaabkommen von Paris 2015 verpflichtet.
Konkret heißt das in Deutschland: Spätestens 2045 soll jeder einzelne Punkt verschwunden sein. Das steht im aktuellen Klimaschutzgesetz. Dann sollen durch Produktionsanlagen, Heizungen und Autos keine neuen Emissionen mehr ausgestoßen werden.
Doch wie wäre das überhaupt möglich? Tempolimit, Heizungsaustausch, Solarpanel – was bringt das? Wie viele Punkte können Sie mit welchen Maßnahmen einsparen? Probieren Sie es aus im interaktiven Rechner!
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Über den CO2-Rechner
Die Bundesregierung schaut bisher vor allem auf das Jahr 2030. Auf dem Weg zu Klimaneutralität, also keinen Punkten, soll bis dahin ein Zwischenziel erreicht werden: 65% der Emissionen von 1990 zu reduzieren.
Das hieße: Von den 743 Punkten im Jahr 2022...
...sollen in 2030 maximal 415 übrig sein.
Das Problem: Deutschland ist nicht auf Kurs.
Im August kam der Projektionsbericht für das Jahr 2023 heraus. Das ist eine Art Zwischenzeugnis, das alle zwei Jahre vom Umweltbundesamt ausgestellt wird: Welche geplanten und umgesetzten Maßnahmen bringen voraussichtlich wieviel? Und darin heißt es: Selbst mit allen Gesetzen, Förderprogrammen und Vorgaben, die geplant sind, bleibt eine Lücke. Zusammengerechnet ist sie bis 2030 mindestens 194 Millionen Tonnen groß, pro Jahr rund 24 Millionen Tonnen.
Die Emissionen werden also zu langsam reduziert. Jedes Jahr bleiben rund 24 Punkte in der Wolke, die dann im kommenden Jahr zusätzlich eingespart werden müssten. Ein zusätzliches Maßnahmenpaket, das Klimaschutzprogramm 2023 der Bundesregierung, soll das Problem zumindest bis 2030 lösen. Das wurde vom Expertenrat für Klimafragen überprüft. Der ist dafür da, die Emissionsdaten und Sofortprogramme wissenschaftlich zu bewerten. 130 Maßnahmen stehen in dem Klimaschutzprogramm. Und trotzdem kommt der Expertenrat zu dem Urteil: Es ist nicht genug.
„Man sieht, dass es über die Regierung hinweg, dass es kein schlüssiges Gesamtkonzept gibt. Es ist so ein bisschen Stückwerk. Das wird noch mal schwierig, diese Lücke wirklich zu schließen.“
Brigitte Knopf
„Die Klimaschutzlücke, die die Vorgängerregierung hinterlassen hat, wird um bis zu etwa 80 Prozent geschlossen.“
Robert Habeck
Dass es eine Lücke geben wird, war schon klar, bevor der Expertenrat Stellung bezogen hat. Im Bundeswirtschaftsministerium lobt man deshalb, dass die Lücke zumindest kleiner sei als noch im Projektionsbericht vor zwei Jahren.
Größter Problemsektor ist und bleibt der Verkehr: Nicht einmal 10% der Emissionen von 1990 wurden in diesem Sektor bis 2022 reduziert, zwischenzeitlich stiegen sie sogar. Das Ziel für 2022 wurde um 9 Millionen Tonnen CO2 gerissen – in dem Sektor liegen also fast 9 Punkte zu viel.
Auch im Gebäude-Sektor ging es nicht schnell genug voran: Das Ziel wäre hier gewesen, 2022 nur noch 107 Punkte zu verantworten, stattdessen wurden rund 112 angehäuft. Bis 2030 wird das wohl so bleiben: Die Lücke summiert sich bis dahin auf 35 Millionen Tonnen.
Auffällig ist: Im Bereich Verkehr fehlen oft diskutierte Maßnahmen wie das Tempolimit, andere bleiben vage, wie zum Beispiel der Abbau von klimaschädlichen Subventionen, etwa bei der Bevorzugung von Dieselautos oder großen Dienstwagen. Stattdessen liegt der Fokus auf Zukunftstechnologien.
Zum Beispiel das Einsparen von CO2-Emissionen dadurch, dass mehr Menschen im Homeoffice arbeiten: Mit 3,2 Millionen Tonnen pro Jahr
Oder Effizienzgewinne durch Künstliche Intelligenz auf der Straße und mehr vernetztes Fahren. Fast 1 Millionen Tonnen CO2 nach Berechnung des Wirtschaftsministeriums.
Sogar fast 2 Millionen Tonnen nach Berechnung des Verkehrsministeriums.
Neben den einzelnen Maßnahmen plant die Bundesregierung auch ein neues Klimaschutzgesetz. Der aktuelle Entwurf sieht vor: Statt bisher hinterher Kassensturz zu machen, ob das Einsparziel eingehalten wurde, soll mehr in die Zukunft geschaut werden, ob man auf dem richtigen Weg ist. Ein Sofortprogramm soll nötig werden, wenn sich abzeichnet, dass die beschlossenen Maßnahmen nicht reichen, um die Klimaziele in den nächsten Jahren einhalten zu können. Außerdem soll nicht mehr sektorweise abgerechnet, sondern auf das Gesamtergebnis geschaut werden. Der Expertenrat war in seiner Einschätzung zu diesen Änderungen skeptisch, es bestehe die Gefahr, dass Verantwortung verschleiert werde. Die stellvertretende Vorsitzende Knopf sieht aber auch eine Chance:
„Die Bundesregierung als Ganzes ist verantwortlich. Aus Klimasicht kann das Sinn machen, dass der Energiesektor dem Verkehrssektor aushilft. Dem Klima ist es egal, ob die Emissionen aus dem Strom kommen oder aus dem Verkehrsbereich. Da muss man dann sehen, ob die Regierung das wirklich so macht.“
Brigitte Knopf
Die Wolke aus 743 CO2-Punkten aufzulösen - von denen jeder für die Emissionen einer Million Autofahrten zwischen München und Lissabon steht - stellt also eine Riesen-Herausforderung dar. Insbesondere weil viele Maßnahmen Zeit brauchen, bevor sie ihr ganzes CO2-Spar-Potenzial entfalten. Und jeder weitere Punkt in der Atmosphäre für mehr Klimafolgeschäden sorgt.

Über das Projekt:

Die Datengrundlage für dieses Projekt bildet der Projektionsbericht 2023, der vom Umweltbundesamt herausgegeben wurde. Darin werden die CO2-Einsparwirkungen von umgesetzten und geplanten Klimaschutzmaßnahmen projiziert. Diese haben wir mit Einsparwirkungen von Maßnahmen, die in anderen Studien berechnet wurden, ergänzt. So kann ein vollständigeres Bild über die in der Diskussion stehenden Klimaschutzmaßnahmen gegeben werden. Alle Projektionen basieren jedoch auf bestimmten Annahmen, die mit Unsicherheiten verbunden sind. Daher stellen die in dem Rechner abgebildeten Werte lediglich die Dimensionen der Einsparwirkungen dar. Mehr über die verwendeten Daten und den Hintergrund des Rechners gibt es hier.

Veröffentlicht am 15.09.2023

  • Autoren: Constanze Bayer, Tom Burggraf
  • Digitales Design: Marco Lettner, Max Brandl
  • Mitarbeit: Steffen Kühne, Julia Barthel
  • Redaktion: Helga van Ooijen, Robert Schöffel
  • Font „Digital-7“ mit freundlicher Genehmigung von Alexander Sizenko, Style-7
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