Bedingt barrierefrei

BR Data hat die Funktionstüchtigkeit von mehr als 2.000 Bahn-Aufzügen für 365 Tage untersucht. Das Ergebnis: Mit der Barrierefreiheit sieht es an deutschen Bahnhöfen nicht gut aus. Am Ende des Artikels können Sie Ihren Aufzug überprüfen. – von Elisa Harlan, Niels Ringler und Maximilian Zierer

Dienstag, 12. November 2019 – 6 Uhr morgens

Ein normaler Dienstag, Berufsverkehr. Jeder rote Punkt auf der Karte steht für einen defekten Aufzug der Deutschen Bahn. In den frühen Morgenstunden stehen 64 Aufzüge still, etwa in Husum, Berlin-Ostkreuz oder in Prien am Chiemsee. Wer hier einen Aufzug braucht, hat Pech: Das Gleis bleibt für manche unerreichbar. Und der Tag hat gerade erst begonnen.

Der Tag im Zeitraffer

In den folgenden Stunden werden einige der Aufzüge repariert, andere gehen kaputt. Laut Bahn sind technische Defekte und Vandalismus für die meisten Störungen an Aufzügen verantwortlich. Die Karte zeigt: Manche fahren bereits nach einer Stunde wieder, andere bleiben länger außer Betrieb. In ganz Deutschland kommt es an diesem Tag bei 171 von etwa 2000 Bahn-Aufzügen zu Störungen. Für die Reisenden ist jeder einzelne ein Ärgernis, für die Deutsche Bahn ist der 12. November ein durchschnittlicher Tag.

Sensoren verraten, wo es hakt

Die Bahn weiß genau, wann und wo Aufzüge ausfallen, denn der Konzern hat sie mit Sensoren ausgestattet. Diese messen jederzeit, ob ein Aufzug in Betrieb ist, oder nicht. Die Bahn macht diese Infos sogar öffentlich, zum Beispiel in Apps für Smartphones. Damit können Reisende jederzeit den Zustand aller Aufzüge sehen, ob am Hamburger Hauptbahnhof oder in Prien am Chiemsee.

354 defekte Auszüge am 26. Juni 2019

BR Data hat diese Daten für alle Aufzüge über 365 Tage gespeichert, alle fünf Minuten. Insgesamt sind das mehr als 200 Millionen Einzelwerte. Erstmals ist es nun möglich, genauer hinzuschauen. Die Auswertung zeigt: Im Durchschnitt fallen an deutschen Bahnhöfen jeden Tag 179 Aufzüge aus. Es gibt auch extreme Tage: Am 26. Juni 2019 kommt es an 354 Aufzügen zu Störungen.

Fast die Hälfte der Aufzüge fiel eine Woche oder länger aus

Oft dauern die Ausfälle nur wenige Minuten. Doch im Laufe eines Jahres können sich die Ausfallzeiten auf eine Woche oder mehr summieren. Das betrifft knapp die Hälfte (46 %) aller Aufzüge. Und in vielen Fällen standen die Aufzüge sogar noch länger still.

Jeder siebte ein Problemfall

Die Bahn gibt auf BR-Anfrage an, sie sorge dafür, Ausfälle zu reduzieren und Reparaturen möglichst rasch vorzunehmen. Doch fast 15 % der Aufzüge fielen zusammengerechnet sogar für vier Wochen oder mehr aus. Diese 300 Problemaufzüge finden sich fast überall in Deutschland, sowohl an großen Verkehrsknotenpunkten, als auch an kleinen Bahnhöfen auf dem Land.

Viele Ausfälle trotz hoher Verfügbarkeit

Insgesamt ergibt die BR-Analyse eine ähnlich hohe durchschnittliche Verfügbarkeit, wie sie auch die Bahn angibt: 96 %. Das klingt gut, doch wie sich zeigt, reicht das nicht aus. Immer wieder und flächendeckend kommt es bei Aufzügen der Bahn zu Ausfällen, die sich auf mehr als eine, zwei oder vier Wochen summieren. In dieser Zeit konnte dort keine Rollstuhlfahrerin zu ihrem Gleis gelangen, kein Vater mit Kinderwagen ohne Hilfe den Zug erreichen.

Wie sieht es bei Ihnen aus?

Wählen Sie einen Aufzug aus, indem Sie den Namen des Bahnhofs eintippen:

Ausfallzeiten an 365 Tagen:

Ausfallzeit pro Tag:
0
0 – 1
1 – 8
mehr als 8 Stunden

Über die Daten

Die Deutsche Bahn geht mit den Statusinformationen der von ihr betriebenen Aufzüge transparent um und stellt sie über eine Datenschnittstelle in Echtzeit zur Verfügung. BR Data hat zwischen August 2018 und November 2019 den Betriebszustand aller kundenrelevanten Aufzüge abgefragt. Da es bei einigen Abfragen zu Störungen bei der Datenübertragung kam, ist der erhobene Zeitraum länger als die 365 Tage, die in die Analyse eingeflossen sind. Es wurde bei der Auswertung nur die von der Bahn definierte „kundenrelevante Hauptzeit“ von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr berücksichtigt.

Die Aufzüge können drei unterschiedliche Zustände melden: ACTIVE, INACTIVE und UNKNOWN. Die Verfügbarkeit eines Aufzuges ist der Anteil der ACTIVE- und UNKNOWN-Zeiten an der Gesamtzeit. Beispiel: Innerhalb von 16 Stunden ist ein Aufzug 14 Stunden verfügbar. Er hat in diesem Zeitraum eine Verfügbarkeit von 14 / 16 = 0.875 (87,5 %). Die Ursachen für INACTIVE-Meldungen, etwa Vandalismus, Wartungsarbeiten oder technische Defekte, konnten nicht an den Daten abgelesen werden.

Über das Projekt

Veröffentlicht am 05.12.2019. „Bedingt barrierefrei” ist ein Projekt von BR Data und BR Recherche.

Autoren: Elisa Harlan, Niels Ringler und Maximilian Zierer
Mitarbeit: Claudia Kohler, Maximilian Richt, Tatjana Thamerus und Claudia Wörner
Redaktion: Pia Dangelmayer, Robert Schöffel und Verena Nierle
Programmierung: Niels Ringler, Oliver Schnuck und Steffen Kühne
Bilder: BR, picture alliance/Robert Schlesinger