Sie kommen in der Hoffnung auf ein besseres Leben: Zehn­tausende Afrikaner suchen in der Land­wirtschaft in Spanien und Italien Arbeit. Durch die hohen Flüchtlings­zahlen steigt der Konkurrenz­druck. Viele Land­wirte und Grund­besitzer nutzen die Not der Arbeits­suchenden skrupellos aus.

Sklaverei und Slums in Europa

Im spanischen Almería, dem weltweit größten Obst- und Gemüse­anbau­gebiet mit Gewächs­häusern, verdienen viele Erntehelfer nur 25 Euro am Tag, obwohl der Tariflohn rund 47 Euro als Minimum vorschreibt und die Arbeiter täglich bis zu 14 Stunden schuften. Neben den viel zu niedrigen Löhnen sind Verstöße gegen Arbeitsschutz­auflagen, Betrug mit Sozial­abgaben und Schikane zu beobachten. Die Tagelöhner klagen über den Einsatz von giftigen Spritz­mitteln ohne Schutz­kleidung. Dabei sind Ganzkörper­schutzanzüge und eine spezielle Ausbildung für das Spritzen der Gift­stoffe gesetzlich vorgeschrieben.

Feldarbeiter auf dem Weg in die Zeltstadt

Viele Feldarbeiter bekommen so wenig Lohn, dass sie in selbstgebauten Zelten und Hütten aus Müll leben müssen.

Gewerkschaften und Flüchtlings­organisationen sprechen von "moderner Sklaverei". Zehn­tausende Feld­arbeiter leiden darunter. Sie leben in Slums ohne Wasser und Strom. In Spanien gibt es dutzende sogenannte Chabolas, in denen die Arbeiter in selbst­gebauten Hütten aus Müll leben. Ernte­helfer in Italien hausen oft in großen illegalen Zelt­städten. Es herrschen menschen­unwürdige Zustände. Die Lebens- und Arbeits­bedingungen machen die meisten Flüchtlinge körperlich und psychisch krank, berichten Ärzte und Hilfs­organisationen vor Ort.

Die Mafia verdient am Leid

In Italien organisieren zudem kriminelle Banden die Vermittlung der Feld­arbeiter. Sogenannte Caporali rekrutieren die Arbeiter in Flüchtlings­einrichtungen oder auf Arbeiter­strichen, machen sie von sich abhängig und knüpfen den Ernte­helfern einen Teil des Lohns ab. In vielen Fällen steckt die Mafia dahinter, bestätigen Polizei und Staats­anwaltschaft. Vor allem der Mafia-­Clan 'Ndrangheta verdient an der Ausbeutung.

EU-Millionen für Ausbeuter

Nach BR Recherche und der BR-Redaktion Wirtschaft und Soziales kassieren spanische und italienische Ausbeuter­firmen millionen­schwere EU-Subventionen. Allein ein Gemüse­betrieb in der spanischen Provinz Almería hat in den vergangenen drei Jahren 3,4 Millionen Euro Förder­mittel erhalten, obwohl er gegen Lohn- und Arbeits­schutzregeln verstößt. Der Gewerkschaft liegen zahlreiche Beschwerden gegen den spanischen Tomaten­produzenten vor, der auch deutsche Super­märkte und Discounter beliefert. Recherchen in spanischen Daten­banken zeigen, dass noch weitere Firmen aus der Region Almería, bei denen es Missstände gibt, Subventionen in Millionen­höhe einstreichen. Somit fließen Steuer­gelder an Firmen, die Arbeiter ausbeuten.

Satellitenbild der Gewächshäuser in der Provinz Almería

Tausende Gewächs­häuser in der spanischen Provinz Almería erstrecken sich über zahlreiche Quadrat­kilometer. Das riesige Anbau­gebiet ist selbst aus dem Weltall zu sehen.

Insgesamt 58 Milliarden Euro schüttet die EU jedes Jahr an Agrar­subventionen aus. Davon gehen rund 70 Prozent als Direkt­zahlungen an die Landwirte. Für jeden Hektar land­wirtschaftlicher Fläche gibt es Subventionen. Bei der Vergabe spielen Sozial­standards wie Arbeits­recht und Mindest­löhne keine Rolle. Mehrere Europa­politiker kritisieren das gegenüber dem BR scharf, darunter Martin Häusling von Bündnis 90/Die Grünen. Die EU-Kommission müsse das dringend ändern und die Auszahlung von EU-Geldern in Ländern wie Italien und Spanien stärker kontrollieren. Der CDU-Europa­abgeordnete Karl-Heinz Florenz fordert, bei belegten Miss­ständen Subventionen sofort zu kürzen. EU-Agrar­kommissar Phil Hogan sieht auf Nachfrage allerdings keinen Handlungs­bedarf – auch nicht im Subventions­programm für die kommenden Jahre, das derzeit ausgearbeitet wird.

Preisdumping der Supermärkte

Die Ware der kritisierten Land­wirte und Anbau­betriebe landet in Deutschland, insbesondere in den Regalen der großen Supermarkt­ketten. Nach den Recherchen sind Produkte aus Betrieben, die Arbeiter ausbeuten, in den Geschäften von Edeka, Rewe, Real, Penny und Lidl gefunden worden.

Obststand in einem deutschen Supermarkt

Obst in deutschen Super­märkten ist billig, doch der knall­harte Wett­bewerb hat einen hohen Preis.

Bauern aus Almería berichten von einem massiven Preis­druck und beklagen: Die deutschen Händler seien die größten Preisdrücker. Laut der Hilfs­organisation Oxfam können viele Produzenten ihre Kosten nicht mehr decken. Dieser Druck werde in voller Härte an die Ernte­helfer weiter­gegeben und sei ein Haupt­grund für die Ausbeutung der Arbeiter.

Die großen deutschen Supermarkt­ketten weisen die Verantwortung von sich. Auf Anfrage distanzieren sie sich von Arbeitsrechts­verletzungen und berufen sich auf das Zertifikat GobalG.A.P. Die Anbau­betriebe würden danach vor Ort auf Miss­stände kontrolliert. Da jedoch bereits in der Vergangenheit in zertifizierten Betrieben Probleme dokumentiert wurden, steht GlobalG.A.P. in der Kritik. Es handelt sich zudem um ein Label, das die Handels­branche selbst finanziert.

Reste einer abgebrannten Zeltstadt

Die Reste einer Zeltstadt im italienischen Kalabrien. Das wenige, was die Flüchtlinge und Migranten hatten, haben sie bei einem Großbrand verloren.