• Honorarkonsuln sind ehrenamtliche Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland im Ausland
  • Ein Dutzend sind oder waren in fragwürdige Finanzgeschäfte verstrickt, das zeigen Recherchen von BR und SZ
  • Das Auswärtige Amt wusste nach eigenen Angaben von nichts – und kündigt Konsequenzen an
Bahamas

„Dear Mr. Hermanns“, schreibt Janique Miller* am 2. März 2009. Miller arbeitet zu diesem Zeitpunkt als Operations Manager bei der Kanzlei Mossack Fonseca auf den Bahamas. „Bitte legalisieren Sie die nachstehenden Dokumente für die Nutzung in den Vereinigten Arabischen Emiraten“. Hermanns unterschreibt. Neben sieben Dokumente der Bahamas-Firma AME Port Services Inc. setzt er den Stempel mit dem Bundesadler. Zweihundert Dollar Gebühren nimmt er dafür. Die Dokumente schickt Mossack Fonseca weiter an eine Kanzlei auf der Isle of Man. Wofür sie gedacht sind und ob sie jemals in den Emiraten ankommen sind, ist unklar. Mit Deutschland haben sie wohl nichts zu tun.

* Name geändert

Hermann-Josef Hermanns arbeitet im internationalen Offshore-Business. Und er ist Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland. Und damit ist er nicht allein. Ein Dutzend aktuelle oder ehemalige deutsche Honorarkonsuln sind in fragwürdige Geschäfte verwickelt. Die ehrenamtlichen Repräsentanten der Bundesrepublik arbeiten teils als Steueranwälte in Offshore-Plätzen wie den Britischen Jungferninseln oder den Cookinseln und helfen so aktiv bei der internationalen Steuervermeidung. Andere werben für den Status ihres Dienstortes als Steuerparadies. Wieder andere Honorarkonsuln sind Geschäftsführer, Teilhaber oder Begünstigte von Offshore-Firmen und Trusts in Steuerparadiesen. Das belegen gemeinsame Recherchen von Journalisten des Bayerischen Rundfunks mit der Süddeutschen Zeitung, die dafür Unternehmensregister und auch Dokumente der sogenannten Panama Papers und der Paradise Papers ausgewertet haben. Das Auswärtige Amt muss zugeben: Die Fälle waren ihm nicht bekannt.

Eine Frage der Ehre – das Video zur Recherche:

Honorarkonsuln sind für das Auswärtige Amt eine praktische Sache. Wo sich eine Botschaft oder ein Generalkonsulat nicht lohnen, etwa in kleinen Inselstaaten oder in Gebieten fernab der Hauptstädte, übernehmen sie die konsularische Vertretung. Sie kümmern sich um Passanträge, beglaubigen Dokumente und setzen sich für die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Ländern ein. Anders gesagt: Ihre Aufgabe ist es, die Interessen Deutschlands im Ausland zu vertreten. Für ihre Amtshandlungen genießen sie Immunität. Honorarkonsuln sind günstig, denn sie arbeiten ehrenamtlich und stellen sogar die Räumlichkeiten zur Verfügung. Für ihre Leistungen bekommen sie Gebühren, wenn diese nicht reichen, gibt es einen Verwaltungskostenzuschuss. Laut Auswärtigem Amt haben sie meist „langjährige Berufserfahrung im Gastland“, „gute Kontakte“ und sind mit den örtlichen Verhältnissen „besonders vertraut“.

Deutsche Honorarkonsuln weltweit

Übersichtskarte

Rund 330 Honorarkonsuln () vertreten derzeit die Bundesrepublik im Ausland. 27 von ihnen () sind die einzigen Repräsentanten Deutschlands im jeweiligen Land, meist in Zwergstaaten und auf entlegenen Inseln. Und die sind häufig Steueroasen. (Quelle: Auswärtiges Amt, 2017)

Geschäftsführer bei 50 Firmen

Madeira

Wie vertraut manche Honorarkonsuln mit den geschäftlichen Gepflogenheiten im Gastland sind, zeigt sich am Beginn unserer Recherchen auf der portugiesischen Atlantikinsel Madeira. In der Hauptstadt Funchal, in einem Gebäude mit grünen Fensterläden, hatte Ricardo Dumont dos Santos seinen Amtssitz. Unten ein Eiscafé, oben die Räume des Honorarkonsuls. Madeira ist eine beliebte europäische Urlaubsinsel, aber nicht nur das: Im vergangenen Jahr haben Journalisten von BR Data und BR Recherche gezeigt, dass in der dortigen Steuersonderzone Superreiche, Fußballspieler und sogar Diktatoren Briefkastenfirmen unterhalten und so hunderte Millionen Euro Steuern gespart haben.

Mitten drin im Geschäft mit den Madeira-Firmen: der Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland, Ricardo Dumont dos Santos. Er war über die Jahre Geschäftsführer bei fast 50 solcher Gesellschaften, ein Investmentfonds warb sogar mit seinem Ehrentitel um deutsche Kunden. Im Jahr 2014 verlieh ihm die Bundesrepublik Deutschland das Bundesverdienstkreuz für seine Leistungen für deutsche Bürger. Drei Jahre später, im Mai 2017, kurz nach der Veröffentlichung der Recherchen des Bayerischen Rundfunks, wird dos Santos als Honorarkonsul abgesetzt. Einen Grund nennt das Auswärtige Amt auf Nachfrage nicht. Doch manches deutet darauf hin, dass seine Entlassung mit den Offshore-Geschäften zu tun hat.

Gebäude des ehemaligen Honorakonsulbüros auf Madeira

Bis Mai 2017 hatte Ricardo Dumont dos Santos sein Büro in diesem Gebäude in Funchal. Über die Jahre war er Geschäftsführer bei fast 50 Steuersparfirmen.

Werbung für Steuerflucht auf Youtube

Lagos

Nur selten schaut das Auswärtige Amt genau hin. Alexander Rathenau, der an der Südküste Portugals in Lagos seinen Sitz hat, wurde vergangenes Jahr zum Honorarkonsul ernannt, kurz bevor sein Amtskollege auf Madeira gehen musste. Rathenau arbeitet an der Algarve als Anwalt für Steuerrecht. Er betreibt einen Youtube-Kanal, dort findet man Aufnahmen seiner Ernennung zum Honorarkonsul, mit Sekt und Häppchen. Zu sehen ist, wie das Schild mit dem Bundesadler am Gebäude seiner Anwaltskanzlei angebracht wird, unterlegt mit klassischer Musik. Direkt neben dem Video seiner Ernennung findet sich auf Rathenaus Youtube-Kanal ein Video mit dem Titel „Wer nach Portugal zieht, zahlt keine Steuern“. Auf seiner Webseite, die verlinkt ist, wird Rathenau dann konkreter: Er wirbt mit der Anonymität und den Steuervorteilen von Offshore-Firmen.

Aufgrund unserer guten Zusammenarbeit, insbesondere mit Staaten in den USA und der Karibik, ist es uns möglich eine „Offshore“-Gesellschaft in wenigen Tagen kostengünstig und mit allen Sicherheiten zu gründen. Lassen Sie sich beraten.

Webseite der Anwaltskanzlei von Alexander Rathenau

Das Konsulargesetz verpflichtet Honorarkonsuln, „das Ansehen und die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nach besten Kräften zu schützen und zu fördern“. Der Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi von der Linkspartei sieht bei mehreren Honorarkonsuln einen massiven Interessenskonflikt. „Ich finde, in einer solch herausgehobenen Tätigkeit sollte man jeden anrüchigen Verdacht vermeiden, um den Anforderungen des Konsulargesetzes zu genügen und auch das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zu wahren.“ Die Bundesregierung betone immer wieder, sich gegen internationale Steuervermeidung einzusetzen: „Insofern schadet es natürlich den Interessen der Bundesregierung, wenn dann mit der Visitenkarte der Bundesrepublik Deutschland Steuervermeidung erleichtert wird. Das läuft dem erklärten Ziel der Bundesregierung zuwider und deshalb müsste die Bundesregierung hier auch durchgreifen.“

„Zentrale Figur“ in Millionen-Verfahren

Monaco

Im Fürstentum Monaco residiert der Honorarkonsul im „Le Bristol“, einem Bürogebäude in bester Lage mit Blick auf den Yachthafen an der Côte d’Azur. Das gelbe Schild mit dem schwarzen Bundesadler ist schon von weitem zu erkennen. Wer die Empfangsdame passiert und mit dem goldenen Aufzug acht Stockwerke nach oben fährt, steht in einem kleinen, fensterlosen Flur. Rechts eine Tür, auf dem Klingelschild steht „Consulat d’Allemagne“. Der Mann, der hier in Monaco Geburtsanzeigen beglaubigt, Reisepassanträge entgegennimmt oder Lebensbescheinigungen ausstellt, heißt Timm Bergold. Jetzt, Anfang Juni, ist von ihm während der Öffnungszeiten nichts zu sehen. Dabei hätte man durchaus ein paar Fragen an den Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland. Zum Beispiel warum auf dem Klingelschild auch eine Firma namens Taurus Invest SAM steht, was diese Firma macht und was genau der Honorarkonsul damit zu tun hat.

Timm Bergold ist Stiefsohn des verstorbenen Pharmamilliardärs Curt Engelhorn. Sein Vermögen hat Engelhorn steuersparend und anonym in sogenannten Trusts auf den Bermudas angelegt. Als er das Geld seinen Töchtern zukommen lassen wollte, führte das zu einem der größten Steuerverfahren Deutschlands. Um die Jahreswende 2015/2016 einigten sich die Töchter mit den bayerischen Behörden auf eine Steuernachzahlung von etwa 145 Millionen Euro. Die Töchter leben mittlerweile in der Schweiz. Die Paradise Papers hatten im vergangenen Jahr gezeigt, dass es sehr viel mehr dieser Trusts gab, als bis dahin bekannt war. Ein Dokument zeigt: Bei einem der Trusts ist Timm Bergold zumindest 2008 als Begünstigter eingetragen. Im selben Dokument findet sich ein Hinweis auf die Taurus Invest SAM. Ein Insider, der mit dem Steuerfall vertraut ist, sagt: Timm Bergold schien den Ermittlern eine zentrale Figur im Steuerfall Engelhorn zu sein. Durchsuchungen in Monaco hat es allerdings nicht gegeben.

Heute steht Timm Bergold als Direktor von neun Firmen im Unternehmensregister Bermudas, teils gemeinsam mit seiner Mutter Heidemarie Engelhorn, teils mit anderen Direktoren mit Adressen auf den Kanalinseln Jersey und Guernsey. Die Firmen tragen Namen wie Omega Private Trust Company, Bartholomew Investments Limited oder Ascot Investments Limited. Besonders bemerkenswert: Bergold ist auch Direktor der New Corange Limited auf Bermuda. Aus Ermittlerkreisen heißt es, zum 31.12.2009 habe die Firma 1,25 Milliarden US-Dollar auf dem Konto gehabt. In Medienberichten war schon 2015 zu lesen, dass die New Corange Teil der Steuerermittlungen gegen die Engelhorn-Töchter gewesen sei. Das Auswärtige Amt hätte also davon wissen können. Zu diesem und anderen Fällen heißt es auf Nachfrage jedoch, mutmaßliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit Trusts und Offshore-Firmen seien dem Auswärtigen Amt in Berlin bislang nicht bekannt gewesen.

Laxes Prüfverfahren

Möwe

Bei der Auswahl und Einstellung eines Honorarkonsuls vertraut das Auswärtige Amt bislang auf den Lebenslauf, Referenzschreiben und ein persönliches Gespräch mit dem übergeordneten Botschafter vor Ort. Außerdem werden Kandidaten auf Vorstrafen und laufende Verfahren geprüft. Während seiner Amtszeit muss ein Honorarkonsul Überprüfungen bisher selten fürchten. Auch wenn das Auswärtige Amt auf Anfrage schreibt: „Handlungen im eigentlichen Erwerbsleben, die zwar im Empfangsstaat legal sein, aber dem Ansehen und den Interessen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderlaufen könnten, sollten selbstverständlich Anlass zur gründlichen Überprüfung sein.“ Und, so fügt das Auswärtige Amt an, „der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass wir bereits in anderen Fällen, in denen möglicherweise vergleichbare Interessenkonflikte aufgedeckt wurden, angemessene Konsequenzen gezogen haben.“

Verschwiegenes Metier

Mit deutschen Honorarkonsuln ins Gespräch zu kommen, erweist sich als schwierig. Etliche Mails bleiben unbeantwortet, viele Honorarkonsuln verweisen früher oder später ans Auswärtige Amt. Dort heißt es, zu Einzelfällen äußere man sich grundsätzlich nicht. Dabei sind Honorarkonsuln öffentliche Personen, im Auftrag der Bundesrepublik, recherchierbar in öffentlichen Dokumenten.

Vanuatu

Schließlich spricht doch jemand mit uns: Jörg Schwartze, Honorarkonsul auf der Südseeinsel Vanuatu, drei Flugstunden entfernt von Sydney, rund 30 Flugstunden von Deutschland. Ein Interview ist möglich, per Videoschalte. In einem Karrierenetzwerk bezeichnet er sich als Experte für den dortigen Offshore-Finanzplatz. Im Jahr 2013 veröffentlichte er online eine mehr als hundert Seiten dicke Werbebroschüre über Vanuatu. Darin preist er die Steuervorteile auf der Insel an. „No income tax!“, also „keine Einkommenssteuer!“, steht da zum Beispiel, und Vanuatu sei „einer der führenden Tax Havens der Welt“. Eine Steueroase also. Wenige Seiten vorher prangt das Logo des Honorarkonsuls mit dem Bundesadler.

Als Jörg Schwartze dann auf dem Computerbildschirm erscheint, sitzt er, braun gebrannt, auf seiner Veranda. Er sagt: „Wir sind nicht im Offshoregewerbe tätig hier, sondern im Tourismus“. In Vanuatu, diesem führenden Steuerparadies, gebe es nur sehr wenige Briefkastenfirmen. Wie geht das zusammen, dass er als Honorarkonsul Deutschland vertritt und gleichzeitig Steuersparmodelle bewirbt? Einen Interessenkonflikt sieht Schwartze nicht, auch nicht darin, dass er sogar explizit passende Anwaltskanzleien nennt, die vor Ort bei Offshore-Geschäften helfen können. Das sei reine Information: „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“

Das Auswärtige Amt sieht das möglicherweise anders. Es hat angekündigt, die recherchierten Fälle zu überprüfen:

Im Lichte der Ergebnisse der Prüfung sind gegebenenfalls weitere Schritte einzuleiten.

Aus der Antwort des Auswärtigen Amtes

Das könnte dann auch den Honorarkonsul auf den Bahamas, Hermann-Josef Hermanns, treffen. Die Beantwortung unserer Fragen hat dieser laut Auswärtigem Amt „unter Hinweis auf seine Verschwiegenheitspflicht in laufenden wie auch in vergangenen Beschäftigungsverhältnissen abgelehnt.“ Dem Auswärtigen Amt wird er aber wohl Fragen beantworten müssen. Warum zum Beispiel die Schweizer Bank, für die er als Executive Vice President auf den Bahamas gearbeitet hat, Firmen aufgesetzt hat, die später zur Verschiebung von Millionenbeträgen in einem der größten Korruptionsskandale Kanadas genutzt wurden – von einem Mann, der sein Geschäftspartner war. Und wieso er für die berüchtigte Steuerkanzlei Mossack Fonseca Dokumente mit dem Bundesadler beglaubigt hat, für die Verwendung in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

„Das überschreitet absolut die Grenzen dessen, was ein deutscher Honorarkonsul tun sollte“, sagt Jack Blum, ein amerikanischer Anwalt, der für das Tax Justice Network arbeitet und sich schon länger mit fragwürdigen Tätigkeiten von Honorarkonsuln beschäftigt. Er muss im Interview immer wieder lachen – zu absurd scheinen ihm die recherchierten Fälle. Solche Beispiele kennt er sonst eher aus anderen Ländern, im Zusammenhang mit Deutschland hätte er sie nicht erwartet. Entweder die Mitarbeiter im Auswärtigen Amt wüssten nicht, was Offshore-Geschäfte sind, sagt er, oder es sei ihnen schlicht egal.